Residuallast

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Der Begriff Residuallast (lat. residuum „Rest“), auch Restlast, bezeichnet im Rahmen der Energiewirtschaft die in einem Stromnetz nachgefragte elektrische Leistung (Last) abzüglich des Anteils fluktuierender Einspeisung von dargebotsabhängigen Erzeugern wie z. B. Windkraft- oder Photovoltaikanlagen.

Sie stellt die Restnachfrage an elektrischer Leistung dar, welche von den übrigen Kraftwerken wie Speicherkraftwerken und kalorischen Kraftwerken wie Gaskraftwerken sowie Kohle- und Kernkraftwerken, gedeckt werden muss (siehe Kraftwerkseinsatz in Deutschland und Merit-Order-Modell). Gibt es dabei ein zu geringes Angebot an regelbarer Kraftwerksleistung, führt ungedeckte Residualleistung im Extremfall zu Lastabwurf, welcher sich in Form von Stromausfällen für den Stromverbraucher bemerkbar macht.[1]

Last, Wind- und Solareinspeisung und die sich ergebende Residuallast in Deutschland, Luxemburg BZN DE-LU Januar 2024, Daten Entso-E Transparenzplattform

Die oben dargestellte Grafik zeigt Last, Wind- und Solareinspeisung und die sich ergebende Residuallast in Deutschland und Luxemburg für den Januar 2024. In diesem Zeitraum zeigt die Residuallast immer noch einen Maximalwert von ca. 66 GW, nur ca. 13 % weniger als die ursprüngliche Maximallast von ca. 76 GW. Dagegen ist die Minimallast von ca. 36 GW auf ca. 1 GW gesunken, so dass praktisch keine Grundlast verbleibt. Die Deckung der Residuallast stellt somit hohe Anforderungen an die Flexibilität des restlichen Kraftwerksparks.

Paradigmenwechsel durch erneuerbare Energien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die erneuerbare Stromerzeugung bewirkte einen Paradigmenwechsel. Im alten Modell wurde Grundlast, Mittellast und Spitzenlast durch verschiedene Arten von jeweils geeigneten Kraftwerke bedient. Seit dem erneuerbare Energien einen größeren Anteil im Strommix erreicht haben, gab es den Paradigmenwechsel hin zur Betrachtung der Residuallast die flexibel, zusätzlich zur erneuerbaren Erzeugung geliefert werden muss. Hierfür werden Kraftwerke mit hoher Flexibilität benötigt, wie Gaskraftwerke, da sich die Residuallast schnell ändern kann. Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke sind im Gegensetz dazu eher typische Grundlastkraftwerke die für konstante Grundlast geeignet sind und daher für die regenerative Stromgewinnung keine Zukunft mehr haben, weil ihre Leistung nicht regelbar genug ist.[2]

Berechnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Residuallast R zu einem bestimmten Zeitpunkt berechnet sich aus der von allen Verbrauchern in Summe nachgefragten momentanen Leistung N und dem zu einem Zeitpunkt unbeeinflussbar vorhandenen Anteil an angebotener Leistung aus fluktuierenden erneuerbaren Energien FEE wie folgt:[3]

Residuallastschwankungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Residuallast ist abhängig vom räumlichen Betrachtungsgebiet (z. B. Versorgungsgebiet eines Netzbetreibers). Über größere Gebiete ergeben sich Ausgleichseffekte, dabei nehmen die Übertragungsverluste im Stromnetz zu. Netzausbau, das heißt die Behebung von Netzengpässen, und der Ausbau der Grenzübergangskapazitäten ermöglicht einen besseren überregionalen Ausgleich.[3]

Ausgleichende Effekte in der erneuerbaren Erzeugung selbst, d. h. wenn ein Windpark in Deutschland nicht produziert, produziert einer an der Atlantikküste, ergeben sich nur über sehr große Entfernungen. So kommt eine Untersuchung der Technischen Universität Wien zu dem Ergebnis, dass die zeitliche Variabilität der Windenergieerzeugung sich bei einer gleichmäßigen Verteilung der Anlagen über Gesamteuropa stark senken lässt, während die gesamtdeutsche Windenergieerzeugung ähnlich volatil ist wie die eines einzelnen norddeutschen Standortes.[4] Noch weniger Ausgleichspotential zeigt die Solareinspeisung. Bei weiterem Ausbau wird dasselbe konische Profil weiter hochskaliert.

Saisonale Schwankungen – bei der Photovoltaik sind die Sommererträge hoch, bei Windkraft sind die Wintererträge hoch – wirken sich entlastend auf die Residuallast aus.[5] Dabei gab es jedoch in einem Zeitraum von 40 Jahren (1980–2019) bisher jedes Jahr einen Zeitraum von etwa fünf aufeinanderfolgenden Tagen mit einem durchschnittlichen Windkapazitätsfaktor von unter 10 % und alle zehn Jahre einen entsprechenden Zeitraum von knapp acht Tagen. Das heißt in diesen Tagen liegt die Windeinspeisung bei unter 10 % der installierten Nennleistung. Diese Dauer verringerte sich, wenn nur die Wintermonate (mit geringer Solareinspeisung) berücksichtigt werden. Das längste Ereignis in diesem Zeitraum dauert fast zehn Tage (siehe Dunkelflaute).[6]

Zeitlich starke Schwankungen der Residualleistung können verbraucherseitig durch Laststeuerung vermindert werden, indem der Strombedarf von Stromkunden, ähnlich wie bei Lastabwurfkunden, dem Angebot der fluktuierenden Einspeisung angepasst wird. Weitere künftige Möglichkeiten stellen auch der Ausbau von Speichertechnologien, zentrale Pumpspeicherkraftwerke, lokale (dezentrale) Energiespeicher oder auf Akkumulatoren basierenden unterbrechungsfreien Stromversorgungen (USV) dar.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Adolf J. Schwab: Elektroenergiesysteme. Erzeugung, Transport, Übertragung und Verteilung elektrischer Energie. 5. Auflage. Springer Vieweg, 2017, ISBN 978-3-662-55315-2, Kapitel 2.1.2 Energiewende, S. 21 – 33.
  2. Energiewirtschaft einfach: Stromhandel / Merit-Order / Bilanzkreis auf YouTube, abgerufen am 24. März 2024.
  3. a b Was ist die Residuallast? Next Kraftwerke, abgerufen am 9. März 2017.
  4. Analyse der Variabilität der Windenergieerzeugung über Europa. Abgerufen am 20. Februar 2024.
  5. Stromversorgung in Deutschland nach dem Ausbauszenario der Erneuerbaren-Energien-Branche. IWES, Dezember 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Januar 2012; abgerufen am 25. Februar 2012.
  6. Frequency and duration of low-wind-power events in Germany. Abgerufen am 29. Februar 2024.