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Neues Lauschzentrum in Wiesbaden: Airbase mit Abhörfunktion

Foto: Google Earth

Neues NSA-Abhörzentrum US-Geheimdienst will künftig auch aus Wiesbaden spähen

Die NSA will ihre Spionage-Aktivitäten in Deutschland offenbar ausbauen: In Wiesbaden entsteht ein neues Hightech-Abhörzentrum der US-Armee. Jetzt verdichten sich die Hinweise, dass auch amerikanische Agenten die Anlage nutzen wollen.
Von Theresa Breuer und Annett Meiritz

Berlin - Bei Nachfragen zu ihren Geheimdiensten werden in Deutschland stationierte US-Soldaten schmallippig. "Ma'am, alle Fragen, die mit der NSA zu tun haben, müssen Sie wirklich mit der NSA besprechen. Fragen Sie die NSA", sagt ein Sprecher der U.S.-Airbase in Wiesbaden . Der eben noch eloquente Mitarbeiter gerät plötzlich ins Stottern. "Es gibt auch eine Webseite der NSA", sagt er weiter, "im Internet. Da finden Sie Kontaktdaten. Fragen Sie dort."

Schon an dieser Szene merkt man, wie sehr die Datenspäh-Affäre das Verhältnis zwischen Amerika und Deutschland belastet. Jedes falsche Wort könnte eines zu viel sein. Die Spionagevorwürfe machen aus einem einfachen Telefonat mitunter eine Angelegenheit höchster Brisanz.

Das Hauptquartier der U.S. Army im hessischen Wiesbaden-Erbenheim wird derzeit mit Anfragen überschwemmt. Der Grund: Der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, bestätigte vor dem Innenausschuss des Bundestags einen Verdacht, der seit einem SPIEGEL-Artikel vom 8. Juli 2013 im Raum steht: Ein geplantes Aufklärungszentrum auf dem Wiesbadener Militärgelände soll, sobald es fertig gebaut ist, auch vom amerikanischen Geheimdienst NSA bezogen werden.

Über Schindlers Aussagen berichtete zuerst die "Mitteldeutsche Zeitung". Schindler bejahte vor den Ausschussmitgliedern die "Präsenz der NSA an dem Standort", schrieb die Zeitung am Donnerstag. Das Gremium hatte sich am Mittwoch mit der Späh-Affäre beschäftigt.

SPIEGEL-ONLINE-Informationen zufolge bestätigte Schindler die Beteiligung der NSA an dem militärischen Komplex. Schindler erklärte laut Teilnehmern zudem, die Anlage sei ausschließlich zu "Zwecken des Schutzes für US-Soldaten auf deutschem Boden" gedacht. Der BND sei nicht in das Bauvorhaben involviert. Nähere Details wurden zunächst nicht bekannt.

Lauschzentrum in der hessischen Provinz

Die NSA-Spähaffäre lässt das geplante Lauschzentrum in neuem Licht erscheinen - und wirft viele Fragen auf: Nutzten amerikanische Agenten deutsche Militärstützpunkte für digitale Datenspionage in großem Stil? Und steuern sie ihre Überwachung demnächst aus Wiesbaden?

Konkret geht es um das sogenannte Consolidated Intelligence Center (CIC), das derzeit auf dem Armeegelände entsteht. Google-Earth-Aufnahmen von 2013 (siehe Fotostrecke) zeigen einen Rohbau in fortgeschrittenem Stadium. Die Pläne für die 124 Millionen Euro teure Anlage sind schon länger bekannt. Im Internet stehen angepeilte Kosten  oder vergebene Bauaufträge .

Auch auf der Plattform Linkedin finden sich Hinweise. Ein Mitglied des Ingenieurskorps der US-Armee outete sich dort als Projektmanager. Die Baustelle ist auf dem Gebiet der Clay-Kaserne. Von dort aus flogen 1949 während der Luftbrücke zahlreiche Rosinenbomber nach Berlin.

Der SPIEGEL hatte vor knapp zwei Wochen pikante Details veröffentlicht: Demnach setzt die US-Armee beim neuen Hightech-Kontrollzentrum auf maximale Abschottung. Der Komplex mit abhörsicheren Büros wird nur Landsleuten anvertraut. Die beteiligten Baufirmen und sogar die Materialien müssen aus den USA stammen.

Kein klares Dementi

Die US-Armee gibt an, das Abhörzentrum sei kein Projekt der NSA. Allerdings schweigt man sich über mögliche Kooperationen aus. In einer aktuellen Mitteilung des Hauptquartiers  des US-Heeres in Europa (USAREUR) heißt es lediglich, das Zentrum werde bis Ende 2015 fertiggestellt. Man halte sich an die deutsche Rechtslage und internationale Abkommen. Die NSA wird mit keinem Wort erwähnt. Angelegenheiten anderer Behörden habe man nicht zu kommentieren, erklärt man am Telefon. Nach einem klaren Dementi klingt das nicht.

Die Vorgeschichte des Lauschzentrums legt nahe, dass die NSA künftig auch von Wiesbaden aus arbeiten wird. In der Nähe von Darmstadt betreibt die US-Armee einen Horchposten mit fünf Mega-Antennen. Die NSA unterstützt die dortigen Analysten dabei, Informationen für die Streitkräfte in Europa auszuwerten. Wenn das neue, größere Abhörzentrum fertig ist, sollen die Mitarbeiter nach Wiesbaden umziehen. Und sollte man die Zusammenarbeit mit der NSA aufkündigen, nur weil man den Standort wechselt? Das erscheint nicht plausibel.

In Europa ist die US-Armee fast ausschließlich in Deutschland vertreten, das ist eine Folge des Zweiten Weltkriegs. In den kommenden Jahren wird das komplette USAREUR schrittweise nach Wiesbaden verlegt. Die hessische Hauptstadt liegt strategisch günstig - zentral in Deutschland und mit guter Anbindung zum Frankfurter Flughafen.

Möglicherweise eignet es sich auch hervorragend für die Überwachung europäischer Datenströme.